* 27. Oktober 1912
† 10. August 1997
von Monika Fürst-Heidtmann
Essay
In Nancarrows Werk verbinden sich Altmodisches und Zukunftsweisendes, antiromantische »neue Sachlichkeit« mit einem für Amerikas Moderne seit den 1920er-Jahren charakteristischen rationalen, pragmatisch-technizistischen Denken. Aufgrund seiner Vorliebe für den Rhythmus stand Nancarrow unter den damals in Schönberg- und Stravinskij-Anhänger gespaltenen amerikanischen Komponisten eindeutig auf Seite des Letzteren; Schönbergs Tonhöhenorganisation oder Atonalität interessierten ihn nicht sonderlich. Er selbst bezeichnete als »wesentliche Einflüsse« für seine kompositorische Arbeit »die Musik Strawinskys und bis zu einem gewissen Grade Bartóks und natürlich Bachs und Cowell mit seiner Theorie« (Nancarrow 1980, in: Fürst-Heidtmann 1998, 93). Mit J.S. Bach teilte er das polyphone und konstruktive Denken, die Freude an numerischen Beziehungen und die Terrassendynamik, von Bartók übernahm er additive Rhythmen und die Bogenform. Stravinskij dagegen, dessen »Sacre du Printemps« »das wichtigste musikalische Ereignis« seiner Jugend gewesen war (Nancarrow 1975, in: Reynolds 1984, dt. 1998, 108), inspirierte ihn zu Polytonalität und Polyrhythmen, Taktwechseln, unregelmäßigen Akzenten und Ostinati. Einiges davon teilt Nancarrow auch mit Charles Ives, dessen Musik er jedoch kaum kannte (Nancarrow 1980, in: Fürst-Heidtmann 1998, 93). Weit mehr beeinflusst war er vom Jazz und Vorbildern wie Louis Armstrong und Fatha Hines. Aber auch die indische und afrikanische Musik, von ...